DIE KATASTROPHE

Zum besseren Verständnis der Thematik zu den nachfolgenden Schilderungen, sowie dem Verursacher "Toxoplasma gondii" im Generellen, empfehlen wir Ihnen, ZUERST den ausführlichen Artikel zu Toxoplasmose zu lesen und anschließend an dieser Stelle weiter fortzufahren.

Sie hießen Hoppla, Hades, Holly & Hemingway und wurden von uns, Hazel und  Mama Emily noch lange Zeit beweint. Sie hatten keine Chance auf dieser Welt, aber keiner konnte dies im Vorfeld auch nur erahnen. Alles begann mit einer ganz normalen und unproblematischen Trächtigkeit. Mama Emily war gesund, nahm konstant zu und es ging ihr gut - bis zum 41. Tag der Trächtigkeit. Da setzte zuerst bei ihr, und wenig später auch bei weiteren Katzen, ein unspezifischer Durchfall ein, dünnflüssig, hell, stinkend und süß. Er hielt bei den meisten wenige Tage an und verschwand dann von alleine wieder. Es gab kein Erbrechen und keine weiteren Symptome. Zwei der Katzen wurden mit Amoxicillin behandelt, welches den anhaltenden Durchfall umgehend stoppte. Emily wollten wir nicht antibiotisch behandeln, sodass sie lediglich mehrfach mit Elektrolyten und Nährstoffen tierärztlich versorgt wurde, da sie das Fressen komplett eingestellt hatte. Auch bei ihr endete der Durchfall am 49. Tag der Trächtigkeit von allein. Allerdings fraß sie noch immer schlecht bis gar nichts. Die Kotproben der einzelnen Katzen zeigten zu dem Zeitpunkt keine Befunde. Am 58. Tag setzte bei Emily völlig unerwartet eine Frühgeburt ein, die wir uns nicht erklären konnten. Sie bekam eine Totgeburt, 37 Gramm, ein roter Kater, der auch völlig normal entwickelt schien, nur viel zu leicht und zu klein war, eine gute Woche zu früh eben. Danach stellte sie den weiteren Geburtsvorgang von selbst wieder ein. Mit ärztlicher Überwachung durch 2x täglichen Ultraschall und Nährstoffversorgung schaffte sie es OHNE wehenhemmende Mittel, die Geburt bis zum 61. Tag selbst aufzuhalten, bevor sie am Abend des 61.Tages in einer anstrengenden und langen Geburt vier weiteren Babys das Leben schenkte, die auf normalen Wege das Licht der Welt erblickten. Alles schien normal zu verlaufen, sie kümmerte sich rührend um die vier Kitten, auch um das Kleinste, bei dem schon kurz nach der Geburt eine 4 Millimeter kleine Verletzung neben dem Nabel operativ geschlossen werden musste und welches in der ersten Woche gar nicht so recht zunehmen wollte, obwohl es ständig, aktiv und trinkend an der dicksten Zitze hing. Jedoch am 6. Tage ging es leider über die Regenbogenbrücke. Beide Babys ließen wir zu dem Zeitpunkt nicht weiter untersuchen, da wir den Grund in der Frühgeburt vermuteten.

Den drei verbliebenen Kitten ging es gut, sie nahmen regelmäßig und konstant zu, entwickelten sich altersgerecht völlig normal, waren fit und mobil, zeigten keinerlei auffällige Symptome, wie Durchfall, Fieber, Apathie oder Gewichtsverlust. Knapp 14 Tage nach dem Geburtstermin trat erneut Durchfall bei einer anderen erwachsenen, bisher noch nicht betroffenen Katze unserer Gruppe auf und wir gaben wiederum Kotproben zur Untersuchung. Die Praxis stellte in einer ersten eigenen Untersuchung Oozysten in einer Probe fest. Die Oozysten von Toxoplasma gondii lassen sich morphologisch jedoch nicht von denen des eng verwandten und für Katzen harmlosen Erregers Hammondia hammondi unterscheiden. Deshalb wurde daraufhin zur eindeutigen Identifizierung aus selbiger Probe jeweils eine Kotprobe an zwei verschiedene Labore gesandt, beide bestätigten den Nachweis von Toxoplasma gondii-Oozysten. Bei der betroffenen Katze wurde Blut abgenommen für eine Toxoplasma-Titerbestimmung. Beide Titer waren positiv, sowohl der IgG-Titer (Nachweis einer bereits durchlaufenen oder zurückliegenden Infektion) als auch der IgM-Titer (Durchlaufen einer akuten Infektion). Zeitgleich wurde auch ein PCR-Test auf Tritrichomonas foetus-DNA durchgeführt, negativ. Knapp eine Woche später ein neuer Fall von Durchfall bei einer weiteren bisher noch nicht betroffenen Katze. Auch hier wurde eine Kotprobe untersucht, Befund Oozysten. Beide Katzen wurden daher 4 Wochen mit Sulfonamiden und Clindamycin behandelt, um das weitere Ausscheiden der Oozysten einzugrenzen. Die Toiletten wurden regelmäßig mit kochendem Wasser gereinigt, obwohl die Oozysten nach Ausscheiden erst nach ca. 2-4 Tagen ein infektiöses Stadium erreichen. Mutter und Kitten waren in einem eigenen Raum unterbracht und hatten keinen Kontakt zum Rest der Gruppe. Eine Toxoplasma-Erkrankung ist zudem meldepflichtig, und so klopfte auch bald das Gesundheitsamt an. Zeitgleich wurde auch der Kontakt zum Veterinäramt hergestellt, wie weiter zu verfahren sei. Ein fader Beigeschmack, zumal sich jeder mäusefressende Freigänger eher mit Toxoplasma gondii infiziert (nicht unbedingt selbst erkrankt) und Erreger unter der Menschheit verbreitet.

Bis hier verlief mit den drei verbliebenen Kitten alles völlig normal, nur die Mama wollte nicht wieder richtig fressen. Als die Kitten 4,5 Wochen alt waren, brach an den Osterfeiertagen erneut die Katastrophe herein. In der Nacht zum Karfreitag erlitt Holly plötzlich Lähmungen der kompletten Hinterhand, robbte nur noch schreiend mit den Vorderbeinchen, sodass wir sie noch in der Nacht in die Tierklinik brachten, da unsere TÄ in Urlaub waren. Erste Untersuchungen zeigten keine Reflexe mehr, sie blieb zur Beobachtung und Behandlung über Nacht dort. Am Folgetag keine Besserung, Verdacht auf Thrombose, kein Kotabsatz mehr möglich und Verdacht auf Herzgeräusche, keine Heilungsaussichten. Wir glaubten zunächst noch an einen Unglücksfall, obwohl wir äußere Einwirkung fast gänzlich ausschließen konnten. Um sie nicht weiter zu quälen, ließen wir sie schweren Herzens gehen. Zuhause war mit den beiden verbliebenen Kitten soweit alles OK. Am Abend des Ostersamstags, kaum 24 Stunden nach Holly, erbricht sich Hemingway plötzlich immer wieder, ist nicht mehr in der Lage sich selbst aufzurichten, und fällt beim Aufsetzen immer wieder auf die rechte Seite. Es sind kaum noch Reaktionen zu verzeichnen, jedoch keine Lähmungserscheinungen. Sofort wieder Tierklinik, derselbe diensthabende Arzt vom Vortag, erneute Schilderung des Durchfalls während der Trächtigkeit, Verdacht auf Virusinfektion während der Trächtigkeit, er stellt schwerste Schädigungen des ZNS und Gleichgewichtsstörungen fest. Er rät uns, eine histologische Untersuchung durchzuführen, um eine Erregerbestimmung zu erhalten. Dafür müsse das Kitten jedoch bis zum kommen Werktag (Dienstag nach Ostern, also 3 weitere Tage) am Leben erhalten werden, da bei Einfrieren diese Erreger bei einer histologischen Untersuchung nicht mehr nachweisbar seien. Dies lehnten wir ab und ließen auch Hemingway gehen. Die bereits erhaltenen Kenntnisse über den Toxoplasma-Erreger waren nun für uns eindeutig und ausreichend. Die Zusammenhänge ergaben so langsam ein Gesamtbild, eine Zusammenfügung der Einzelteile über das komplette, schreckliche Ausmaß und seiner Ursache. In den darauffolgenden Tagen wurden mehrere Kotproben speziell von Hazel auf Oozysten untersucht, alle negativ. Eine Woche nach diesem Desaster ließen wir auch die Mutterkatze und eine weitere Zuchtkatze auf die beiden Titer IgG und IgM testen sowie nochmals Kot untersuchen. Kein Kotbefund, bei beiden Katzen war der IgM (akute Infektion) inzwischen negativ, aber der IgG hatte einen stark erhöhten Wert von 1:1024 (Norm <1:32), auch eine Wiederholung nach 2 Monaten zeigte exakt dieselben Titerwerte. Dazwischen wurde ebenfalls eine PCR-Untersuchung auf Calici-Viren, Herpes-Viren und Chlamydien durchgeführt, alle negativ. Unendlich viele nachfolgende Kontrollkotproben brachten zudem keine weiteren Befunde auf Oozysten. Aber wir zitterten tagtäglich um das Leben und die Gesundheit des fünften Babys, konnte doch stündlich eine ähnliche Symptomatik eintreten, was zum Glück bis heute (nach 6 Monaten) nicht geschah.

Leider litt auch Mama Emily an den Folgen dieses Desasters. Neben der körperlichen und gesundheitlichen Belastung von Infektion und Frühgeburt stellten wir bald eine gravierende Wesensveränderung bei ihr fest. Eine vormals lebenslustige, aktive, soziale, neugierige und teils auch sensible Katze wurde durch die Erkrankung und die Verluste ihrer Kitten regelrecht depressiv. Sie fraß immer noch schlecht oder gar nicht, war oft mental abwesend, teils schien sie melancholisch, verweigerte jeden Körperkontakt und zog sich immer mehr zurück. Organische oder körperliche Ursachen waren keine greifbaren festzustellen. Sie kümmerte sich zwar rührend um die kleine Hazel, war aber kaum wiederzuerkennen. Noch tragischer war jedoch, dass sie sich plötzlich nicht mehr mit der Gruppe vertrug, und dies hatte nichts mehr mit dem mütterlichen Schutzinstinkt zu tun. Sie war so unsicher und aggressiv, dass sie bei Sichtkontakt mit einer anderen Katze bei erstbester Gelegenheit wahllos eine Attacke startete. Wir wussten uns keinen Rat. Jegliche Versuche, Tricks und Training, Geschirr und Annäherungen scheiterten. Glücklicherweise haben wir zwischenzeitlich eine Lösung gefunden, die innerhalb kurzer Zeit die Wende brachte, sodass Emily sich wieder frei und ohne Aggressionen in der Gruppe bewegen kann, wieder mit sich und den anderen spielt, entspannen kann und auch zum größten Teil wieder zu ihrem vorherigen, bezaubernden Wesen zurückgefunden hat. Dafür sind wir sehr dankbar.

In der Summe der Befunde und Ereignisse, angefangen bei der Frühgeburt, sowie der gezeigten Symptomatik und der vielfältigen Recherchen ist für uns zu 95 % klar, dass es sich hier um eine nachgewiesene Toxoplasma-Erstinfektion der trächtigen Mutterkatze gehandelt hat. Eine Tragweite, die bereits aus der Humanmedizin hinlänglich bekannt ist, und die bei den Föten zu schwersten Schädigungen des ZNS geführt hat, die jedoch zu unterschiedlichen Zeitpunkten zum Tragen gekommen sind. Der in der medizinischen Literatur so oft zitierte Abort, der etwa 9-14 Tage nach der Erstinfektion biologisch ausgelöst würde, fiel fast zeitgleich auf unseren (Früh-) Geburtstermin. Ausgelöst wurde die Infektion durch die Fütterung von frischem (zuvor NICHT gefrosteten) rohem Lammfleisch, welches wir bis dahin noch nicht gefüttert hatten und das zu einer Erstinfektion der gesamten Gruppe führte. Andere der diversen Infektionsquellen konnten wir für uns gänzlich ausschließen. Der Einzige, der seinerzeit übrigens keinen Durchfall hatte, war der Einzige, der lieber verhungern würde als rohes Fleisch zu fressen. Weitere Tests bei Hazel stehen noch aus, aber wir sind zuversichtlich, dass sie diese Katastrophe unbeschadet überstanden hat – ein wahres Wunder!

Bei unseren Recherchen zu diesem Thema stießen wir auch wiederholt auf Skeptiker und gleichermaßen erstaunte Gesichter. Sofern überhaupt eine Aussage dazu getroffen wurde, so doch die, dass man darüber noch nie etwas gehört oder gelesen habe, geschweige denn in der Praxis mit Katzen erlebt oder gehört hätte. Dass dieses traurige "Ereignis", wie in unserem Falle, eher selten auftritt, schließt dessen generelles Vorkommen ja nicht gänzlich aus, zumal es ja auch unerkannte Erkrankungen diesbezüglich gibt. Wie schwierig es ist, eine Erstinfizierung mit Toxoplasma gondii überhaupt nachzuweisen - aufgrund der zeitlich unterschiedlichen Entwicklungsphasen und der sofort erforderlichen Untersuchungen mit entsprechenden Nachweismöglichkeiten -, zeigt schon die Problematik an sich. Sicherlich gilt in unserem Fall auch eine Verkettung unglücklicher Umstände, ausgerechnet zu dem Zeitpunkt infiziertes Fleisch zu verfüttern und zudem noch an eine trächtige Katze. Auf meine wiederholte sachliche Nachfrage zu dieser Thematik bei einem Züchter und zugleich Rohfütterprofi erhielt ich leider überhaupt keine Resonanz. Dennoch sind wir der persönlichen Meinung, dass es vermutlich ein häufigeres Vorkommen dieser Erstinfizierungen mit Toxoplasma gondii gibt, als bisher bekannt wurde. Aufgrund der unspezifischen (Durchfall-) Symptome und der langen Zeitschiene sind in der Vergangenheit möglicherweise keine Zusammenhänge mehr zu totgeborenen oder (später) verstorbenen Kitten herzustellen gewesen, und ohne gezielte Hinweise kann auch ein Pathologe nicht immer fündig werden, sofern jeweils überhaupt eine pathologische Untersuchung stattfand.

Wir machen uns selbst Vorwürfe, dass wir uns im Vorfeld nicht umfassender informiert haben und entsprechende Vorsichtsmaßnahmen durchführen konnten. Die vier Babys haben leider mit ihrem Leben dafür bezahlt! Daher an dieser Stelle auch noch einmal der dringende Hinweis, dass auch die zu bevorzugende und artgerechte Ernährung mit Rohfleisch (besonders die Teilfütterung) besonderen Risiken unterliegt, die korrekt eingeschätzt und abgewägt werden müssen. Darunter zählen unter anderem auch der Parasiten- und Wurmbefall sowie Salmonellen. Hähnchen - auch aus alternativen Haltungsformen - sind häufig mit Salmonellen (und Campylobacter) infiziert (Studien liegen mir vor). Und nicht zu unterschätzen eben auch die Toxoplasma-Infektion, die besonders trächtigen Tieren und vor allem deren Frucht zur tödlichen Gefahr werden kann. Vorsichtsmaßnahmen, damit solche Risiken und Gefahren bei einer Wurfplanung zumindest minimiert werden können, wie z.B. der Verzicht auf risikoreiche Fleischsorten in dieser Zeit, Einfrieren bei bestimmter Temperatur und Dauer, die Kenntnis über die risikoreicheren Fleischsorten oder eine vorherige Titerbestimmung bei der Mutterkatze, sind im vorgenannten Toxoplasmose-Artikel bereits erläutert. Ein vorhandenes Risiko umfassend zu kennen, abzuwägen und einzuschätzen, hilft jedem, für sich und seine Katzen eine akzeptable und risikoarme Entscheidung zu treffen.

Wir wünschen dem einzigen überlebenden Baby dieses Desasters ein hoffentlich langes, gesundes und glückliches Leben…

Copyright, B. Reichel
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